Die Sexarbeiterinnen oder Escorts, die aus verschiedenen Teilen Europas in die Schweiz kommen, bemühen sich immer noch um eine rechtliche Anerkennung. Von der Gesellschaft oft stigmatisiert ist es ihnen noch immer nicht möglich, ihren Beruf in voller Freiheit auszuüben.
Denn, das Gewerbe wird immer wieder aufs Neue durch den Dreck gezogen. Sensationsgeile Journalisten lassen keine Gelegenheit aus und nutzen jede ereignisarme Zeit, die Sexarbeiterinnen per se zum Opfer zu erklären und ihr berufliches Umfeld zu kriminalisieren.
Bessere Bedingungen = bessere Chancen
Verschiedene Artikel in den Medien über Menschenhandel und Ausbeutung, denen die Mehrheit der Sexarbeiterinnen angeblich ausgesetzt sind, schaden dem Gewerbe massiv. Sexarbeiterinnen, sogenannte Working-Girls, die aus verschiedenen Teilen Europas in die Schweiz kommen, kämpfen seit Jahren um Anerkennung, um ihren Beruf frei und vorbehaltlos ausüben zu können.
In einem 2022 erschienenem Artikel der Schweizer Times (The Swiss Times) der sich der legalen Prostitution widmet, werden mehr als 20.000 in der Schweiz registrierte Sexarbeiterinnen erwähnt 1.
Im Jahresbericht 2022 der FIZ (Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration) werden 195 Opfer von Menschenhandel zwecks sexueller Ausbeutung und vier Opfer von Förderung der Prostitution benannt 2. In Summe 199 tragische Fälle. In Relation zu den mehr als 20.000 erwähnten Sexarbeiterinnen sind das 0,9 Prozent.
Die polizeiliche Kriminalstatistik benennt für das Jahre 2022 unter den registrierten Straftaten 63 Fälle von Menschenhandel, davon 45 zwecks sexueller Ausbeutung 3. Demnach sinkt der Wert sogar auf 0,22 Prozent. Und daraus geht nicht hervor, welcher Anteil davon der illegalen Prostitution zuzuschreiben ist. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass 99,7 Prozent des Sexgewerbes hierzulande gesetzestreu arbeiten.
Die traurigen Einzelschicksale greifen die Prostitutionsgegner nur zu gern auf, multiplizieren das mit einer beträchtlichen Dunkelziffer und präsentieren das Ergebnis (vielmehr ihre höchst eigene Vermutung) – dann in dicken Schlagzeilen.
«Die Schweiz wird zur Hochburg von Menschenhandel» 4 oder «Vergewaltigung mit staatlichem Segen» 5 oder zuletzt in der Publikation von Roland Gamp und Simone Rau im Tagesanzeiger Schweiz 6. Darin wird die Leidensgeschichte von «Hanna Varga» zum Vorwand genommen dem Schweizer Sexgewerbe in Mehrheit arglistige Täuschung in den Jobinseraten im Ausland zu unterstellen.
Mal zur Erklärung: Dunkelziffer(n) sind eine unbekannte Anzahl von Vorkommnissen, die nicht erfasst sind. Das sind Annahmen, oft hohe Fehleinschätzungen, Übertreibungen und in den vorliegenden Hetzkampagnen letztlich Wunschvorstellungen.
Was der jungen Dame «Hanna Varga» widerfahren ist, stimmt tief traurig und darf dennoch nicht zum Anlass genommen werden, eine ganze Branche in Verruf zu bringen.
Dass es schwarze Schafe auch in anderen Gewerken gibt, die im Ausland Kräfte anwerben, zeigen die Fälle rumänischer Gipser die von einer Firma aus Sankt Gallen in die Schweiz gelockt wurden. Von falschen Versprechen, Mietabzocke, Ausbeutung und Lohnklau berichten die Betroffenen 7. Ebenso auch der Fall eines Restaurantbesitzers, der in seinem Betrieb Menschenhandel betrieben und illegal Küchenhilfen angestellt haben soll 8.
Ganz oft wird in solchen Beiträgen geschrieben, dass die Frauen sehr jung sind, die in die Prostitution gehen. Unterschwellig ist gemeint, dass sie keinen blassen Schimmer, keine Ahnung von dem Job haben und das nur aus finanzieller Not tun. In den frei erfundenen Schilderungen der selbsternannten Psychoanalytiker:innen handelt es sich bei diesen jungen Frauen zudem oft um Opfer, die frühzeitig Verluste erlebt haben oder in der Kindheit missbraucht wurden sind.
Dazu sei gesagt, dass wir hier von volljährigen, mindestens 18-jährigen Erwachsenen Personen sprechen, die mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres die geistige, physische und psychische Reife erlangt haben und nun eigenverantwortlich Entscheidungen treffen können.
Und zur Notlage sei erwähnt: Alle die einer regelmässigen Arbeit nachgehen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, tun das aus wirtschaftlicher Notwendigkeit.
Das Sexgewerbe in der Schweiz – Bekämpfung des Menschenhandels
Zusammen mit Sexarbeiterinnen, anderen Anzeigeplattformen, Fachstellen und weiteren Akteuren kämpfen wir von my-Ladies.ch für faire Bedingungen in der Sexarbeit.
Kriminelle, mafiöse Strukturen die Frauen rekrutieren und zwangsprostituieren, sitzen mit ihren Drahtziehern meist in osteuropäischen Ländern. Dort gilt es aufzuräumen! Menschenhandel ist ein schweres Verbrechen (Artikel 182 StGB).
Es ist Aufgabe von Polizei und Justiz Ausbeutung und Menschenhandel konsequent zu verfolgen und Straftäter zu verurteilen. Irgendwann muss auch mal Schluss sein damit, dass in unsachlichen Artikeln Schrecken und prostitutionsfeindliche Geschichten verbreitet werden und dass man legale, bewilligte, den Behörden jederzeit zugängliche und kontrollierbare Sexarbeit mit Schwerst-Kriminalität vermischt.
Auch damit, dass man freien, selbstbestimmten Sexarbeiterinnen einredet, sie machen das doch nur weil es irgendeinen Zwang gibt. Und wenn es diesen Grund partout nicht gibt, dann wird aus «mit sexuellen Dienstleistungen Geld verdienen» eben «eine finanziell schlecht gestellte Frau, die gar keine andere Wahl hatte».
Gemäss der Verbindung Erotikbetriebe Schweiz, zudem Studio- bzw. Clubbetreiber, Vermieter und Portale gehören, gibt es viele Märchen rund um die Vertraulichkeit und die schlechten Bedingungen in den Erotik-Etablissements.
“Derweil sind die Voraussetzungen für die Sexarbeiterinnen in den uns zugehörigen Betrieben und Terminwohnungen grundsolide. Wir bieten den Damen ein sicheres, sauberes und gesundes Umfeld”, so eine Vertreterin der Verbindung Erotikbetriebe Schweiz.
Die Schweizer Erotikbetriebe arbeiten seit Jahren transparent mit den Behörden zusammen und halten sich an alle Vorschriften und Gesetze. Die Örtlichkeiten sie sind der Polizei und den Behörden bestens bekannt, schon durch das Bewilligungsverfahren und regelmässig stattfindende Kontrollen. Und schliesslich gehört die Schweiz zu den sichersten Ländern der Welt und zu diesem guten Ranking trägt auch unsere Branche indirekt mit bei.
In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass es für Erotikbetriebe jede Menge Auflagen gibt und sie regelmässig von der POLIZEI kontrolliert werden. Dabei werden die Verantwortlichkeit in den Studios bzw. Clubs, die Arbeitsverhältnisse und Arbeitsgenehmigungen der dort tätigen Frauen überprüft.
Das in der Öffentlichkeit geschürte Bild von Menschenhandel & Sklaverei in Schweizer Sexclubs ist schon anhand der polizeilich registrierten Straftaten unzutreffend.
“Die meisten Damen kommen auf Empfehlung von Freundinnen oder sie schreiben uns einfach an oder sie sehen unsere Studios im Internet und melden sich direkt bei uns”, heisst es sinngemäss im Interview mit einem dieser Clubs.
Was die Arbeitsbedingungen von Sexarbeiterinnen in Clubs betrifft, so unterscheiden sie sich kaum von anderen Berufszweigen, die körpernahe Dienstleistungen anbieten. Gut geführte Studios achten zudem auf geregelte Ruhezeiten für die Damen und deren Sicherheit.
“Wir haben kameraüberwachte Eingänge, lassen keine Männergruppen ins Haus und empfangen keine unter Drogeneinfluss stehenden Gäste. Und natürlich werden auch keine Ausweise oder Pässe einbehalten” – sagte uns das
auf Anfrage dazu.Wie eingangs schon erwähnt, schätzt man, dass es etwa 20.000 Sexarbeiterinnen in der Schweiz gibt. Sie empfangen ihre Kunden in Studios, Clubs, Massagesalons oder in zonenkonformen, nutzungsgenehmigten Wohnungen. Über diverse Inserate auf den Erotik-Anzeigenportalen bieten sie geneigten Kunden ihre Dienstleistungen an.
Auf Portalen wie and6, fgirl oder my-ladies.ch finden sich tausende solcher Massageangebote und Sexanzeigen. Mit welchen Fotos, Videos und Dienstleistungen sie die Kunden so für sich gewinnen wollen, darüber entscheiden die Damen selbst. Klar kommt es da auch schon mal vor, dass man sich mit gewissen Angeboten einen Vorteil verschaffen will.
Aber: zu Anstössiges, Gesundheitsgefährdendes oder gegen die guten Sitten Verstossendes wird von den verantwortungsvollen Anzeigenportalen entfernt.
Auch die Verbindung Erotikbetriebe Schweiz bestätigt, dass jede Sexarbeiterin das Recht hat, über ihre Dienste selbst zu entscheiden, Kunden abzulehnen, eine Pause einzulegen und natürlich können die Ladies auch jederzeit aufhören zu arbeiten.
“Den Moralpredigern und der Klatschpresse ist es zu verdanken, dass die Leute glauben, die Sexarbeiterinnen müssen zunächst ihren Zuhälter mit Summe X bezahlen und dann noch Schulden beim Vermittler für die Beschaffung, bevor sie überhaupt in die Freiheit zurückkehren und ihren Pass wiedererlangen können. Leider ist das ein weiterverbreitetes Klischee“, so die Verbindung Erotikbetriebe Schweiz.
Frauen die auf dem Weg in den neuen Lebensabschnitt Hilfe benötigen, stehen verschiedene Anlaufstellen zur Verfügung, die sich auf die Unterstützung von Menschen in der Prostitution spezialisiert haben.
Was sagt eine Frau, die mit Sex ihren Lebensunterhalt verdient? Ist dieser Job so gefährlich, wie sie sagen?
Mia May, eine Sexarbeiterin, die ihre Dienste auf Erotik-Websites wie xdate oder myLadies anbietet, argumentiert einem
für myLadies, dass Sexarbeit für sie schon so etwas wie ein Traumjob ist, der es ihr ermöglicht Miete, Steuern, Krankenkasse zu bezahlen, zu essen und zu leben.Kann sie aufhören damit? Lachend sagt sie, dass dies unwahrscheinlich ist, solange ihr die Arbeit Spass macht.
“Ich fühle mich in meinem Job sehr wohl. Schliesslich habe ich ihn mir ausgesucht. Ich liebe meine Arbeit. Sie ist wichtig und sie ist auf die Bedürfnisse der Menschen ausgerichtet. Meine Kunden sind keine Schweine, weil sie eine Prostituierte aufsuchen. Sie sind gute Menschen, die Energie tanken, um ihren Alltag positiv zu bewältigen“, sagt sie.
Mia May zufolge ist es allerhöchste Zeit, die Sexarbeit zu respektieren und das falsche, absichtlich verbreitete Bild, der unter kriminellem Einfluss stehenden, hilflosen Prostituierten zu korrigieren.
Kann die Ausübung der Prostitution für Sexarbeiterinnen gefährlich sein? Mia May räumt zwar ein, dass es auch mal unerfreuliche Momente gibt, aber überwiegend sagt sie, gibt es in meinem Beruf sicher keine unangenehmeren Situationen als in einer Bäckerei.
Schlussbemerkung:
Im Jahr 2017 wurde die Bezeichnung «Alternative Fakten» von deutschen Sprachwissenschaftlern zum “Unwort des Jahres” gekürt. Alternative Fakten sind Falschbehauptungen, verdrehte Tatsachen bzw. Fake News. Seit Jahrzehnten geistern Gruselgeschichten durch die Medien, die den bitteren Alltag im Sexgewerbe widerspiegeln sollen.
Getrieben von persönlicher Abneigung und ohne Sachkenntnis, werden darin häufig drogenabhängige Beschaffungsprostituierte vom Strassenstrich, die ihren Konsum mit der Währung Sex «bezahlen» zusammen mit den im Umfeld agierenden Dealern und Hehlern – repräsentativ der Öffentlichkeit als Leitbild der Sexarbeit vorgeführt.
Oder man beruft sich auf illegale Prostituierte, ohne gültige Papiere, die als Gesetzlose im Geheimen anschaffen und die unter solch dubiosen Bedingungen natürlich gefährdet sind. Andernfalls pickt man sich einen eher seltenen, traurigen Einzelfall aus dem legalen Gewerbe heraus und projiziert diesen auf zigtausende Sexarbeiterinnen.
Wir müssen davon auszugehen, dass die systematische Hetze gegen die Sexbranche weitergeht, dass man rechtschaffende Sexarbeiterinnen auch künftig mit Gesetzwidrigen über einen Kamm schert und dass die Dienstleistung Sex gegen Geld weiterhin tagtäglich tausendfach stattfindet, die Sexarbeit folglich gebraucht aber nie wirklich anerkannt wird.
Auch sollten wir uns wohl damit abfinden, dass das in der schweizerischen Bundesverfassung verankerte Diskriminierungsverbot eigentlich für alle, aber eben nicht für Sexarbeiterinnen und die, in der Branche tätigenden Personen gilt.
Von wegen – aber nicht mit uns!
Ausser Zweifel steht, dass wir auch künftig Übertreibungen widerlegen, Halbwahrheiten mit Fakten begegnen, Lügen beim Namen nennen und die gezielte Beeinflussung der Öffentlichkeit mit Desinformationen mit allen Mitteln bekämpfen werden.
Toleranz statt Repression!
Die formelle Anerkennung der Sexarbeit als Erwerbstätigkeit auf dem Papier muss endlich auch einhergehen mit Akzeptanz, Verständnis und Gleichstellung im gesellschaftlichen Leben.
Illegale Prostitution und unfreiwillige Sexarbeit (Zwangsprostitution) haben absolut nichts mit freiwilliger, selbstbestimmter Sexarbeit aus eigener Überzeugung gemein. Wir müssen uns alle mit Nachdruck dafür einsetzen! Hier muss endlich unterschieden werden!
Banken, Vermieter, Versicherungen die Sexarbeiterinnen benachteiligen indem sie ihnen essenzielle Grundleistungen wg. ihrer Erwerbstätigkeit verweigern, sollten mit hohen Bussgeldern wegen Diskriminierung belangt werden. Sexarbeit hat gegen viele Vorurteile und Unrecht zu kämpfen. Es ist höchste Zeit zu handeln.
Erhebt mit uns eure Stimme und wehrt euch!
Nachtrag
Aktuell wird in der Presse über Frauen aus China berichtet, die von einem Aargauer Paar und einer dritten Person sexuell ausgebeutet wurden. Das Geschehene wurde im Jahr 2017 aufgedeckt und liegt etliche Jahre zurück.
Der Fall wird derzeit vor Gericht verhandelt und findet daher in den Medien Erwähnung 9 10 11 .
Es ist kaum in Worte zu fassen, wie unerträglich das Leid für die chinesischen Frauen gewesen sein muss und es macht uns auch unfassbar wütend.
Trotzdem ist es notwendig klarzustellen, dass es um unzulässige Bordelle und um Frauen geht, die sich illegal in der Schweiz aufhielten. Deshalb ist es uns ein Anliegen darauf hinzuweisen, dass die legale Sexarbeit sich von illegalen Machenschaften deutlich distanziert.
Quellennachweis